Du vielleicht auch?
Wenn Du mich besser kennst, kannst Du es vielleicht nicht glauben, aber so ist es: ich bin ein Schisser.
Wenn mein Mann nicht da ist, schlafe ich bei abgeschlossener Schlafzimmertür, gehe im Dunkeln nicht gern in den Keller, würde selbst tagsüber nie allein in einen Wald gehen, ich kriege auf einer Leiter weiche Knie, halte zu Pferden einen Sicherheitsabstand von mindestens fünf Metern und ziehe mir seit meiner Kindheit die Bettdecke bis zum Hals damit mich kein Vampir beißen kann.
Aber am meisten habe ich Angst vor Veränderungen.
Und wenn ich eine Entscheidung treffen muss, die eine Veränderung mit sich bringt, ist das der absolute Schiss-Supergau für mich.
Denn ich kann niemals im Vorhinein alle Veränderungen absehen, die mit einer Entscheidung einhergehen. Also schiebe ich jede Entscheidung ewig vor mir her und habe Angst vor den Konsequenzen.
Und trotzdem habe ich vor ein paar Monaten eine konsequenzenreiche Entscheidung getroffen. Die habe ich mir natürlich nicht leicht gemacht, aber sie musste sein. Sehr dringend sogar.
Ich hatte nämlich zum ersten Mal in meinem Leben mehr Angst davor, was mit mir passiert, wenn ich nichts ändere, als vor der tatsächlichen Veränderung.
Eigentlich habe ich nichts weltbewegend risikoreiches getan.
Ich hab einfach nur den Job gewechselt. Machen andere Leute ja ständig!
Für die Karriere ist ein neuer Job förderlich, für die persönliche Weiterbildung fast unumgänglich und für den finanziellen Aufstieg absolut nötig. Eine sehr positive Veränderung also.
Also kein großes Ding, oder?
Oder?
Bei mir lagen die Dinge etwas anders:
Ich habe einen Schritt zurück gemacht – zurück in meinen alten Job, der mir keinen Karrieresprung, weniger Geld, und, da ich genau das Selbe mache wie vorher, auch keine Weiterbildung bringt.
Und trotzdem war diese Entscheidung eine der wichtigsten und richtigsten Entscheidungen in meinem Leben.
Denn mein neuer, alter Job macht mich glücklich! Er bietet mir die Möglichkeit mein Leben nach meinen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten.
Und er macht ganz einfach Spaß!
So glücklich wie ich heute mit der Entscheidung bin, zum neuen alten Job zurückzukehren (und diesen Blog zu starten), so schwer habe ich mir auch die Entscheidung gemacht.
Ich hatte, trotz aller Notwendigkeit, wahnsinnige Angst vor der Veränderung.
Ich wollte meine lieben Kolleginnen und Kollegen nicht hergeben, die finanzielle Sicherheit, die mir mein alter Job geboten hat, nicht aufgeben, den geregelten Tagesablauf und Alltag behalten und einfach nicht aus meiner Komfortzone heraus. Ich habe mir die positiven Aspekte meines Jobs immer wieder wie ein Mantra vor mir her gesagt und mir eingeredet, dass ich mich nur ein bisschen anpassen muss und, dass die Geschichte vom Job, der mich glücklich macht, ein Märchen ist.
Auf der anderen Seite wurde jeder Tag im alten Job schwerer zu ertragen. Mir erschien jeder Tag im Büro, wie ein Tag im offenen Vollzug.
Ich hatte keine Freude an meiner Arbeit und konnte die Art des Miteinanders immer weniger hinnehmen.
Irgendwann wurde mir klar, dass mich der Job früher oder später krank gemacht hätte.
Und trotzdem was die Angst vor der Veränderung so groß.
Ich habe unvorstellbare Szenarien im Kopf gehabt, was meine Entscheidung so alles an Veränderungen bewirken kann.
Von „Ich setze meine Ehe aufs Spiel“ über „Ich treibe uns in den finanziellen Ruin“ zu „Ich mache mich mit meinem Blog einfach lächerlich“ war alles dabei.
Aber zum Glück war schließlich der Wunsch ein selbstbestimmtes Leben zu führen größer als die Angst vor der Veränderung.
Ich habe damals für mich eine Ängsteliste erstellt, die alle möglichen und unmöglichen Waswärewenns enthält und mir zu jedem Horrorszenario einen beruhigenden Lösungsansatz notiert.
Diese Liste brauche ich heute immer noch regelmäßig, denn obwohl alles genauso läuft, wie ich es mir gewünscht und vorgestellt habe, habe ich doch immer wieder Angst vor meiner eigenen Courage.
Mir fehlt einfach immer noch das Vertrauen in mich, meine Entscheidungen und meine Fähigkeiten. Ich warte quasi auf den Moment, in dem mir meine Entscheidung um die Ohren fliegt und meine Ängste wahr werden.
Aber ich arbeite daran.
Wovor hast Du denn Angst?
Bist Du auch so ein Schisser wie ich?
Wie schaut es denn mit Deiner Entscheidungsfreudigkeit aus?Ich freue mich auf einen Kommentar von Dir…
Bisher hat sich übrigens noch kein Horrorszenario meiner Ängsteliste bewahrheitet und ich versuche statt einem großen Schisser nur noch ein kleiner Schisser zu sein.
Vielleicht ziehe ich mir heute Nacht die Bettdecke mal nur bis zu den Schultern.
Lea
Moin Rebecca,
Ich fühle Dich. Denn ich bin auch ein Schisser. Ich springe mit Anlauf in mein Bett, denn unterm Bett könnte ein Monster nur darauf warten nach meinen nackten Knöcheln zu greifen. Auch meine Beine wackeln auf Leitern oder schmalen Brettern über einen Fluss. Als Kind hatte ich Angst alleine etwas in einem Laden einzukaufen, denn die Kassiererin könnte mich ja etwas fragen und dann müsste ich antworten! Inzwischen sind die Ängste mit mir gewachsen. Nein, nicht vor der Kassierein. Sie sind tiefgründiger geworden. Auch ich habe Angst vor Entscheidungen. Ich habe Angst vor Eigenverantwortung. Ich bin verdammt gut darin sehr selbstbewusst zu tun, aber innerlich bin ich häufig fix und fertig. Wichtig ist dann auch stolz zu sein! Denn Mut ist schließlich nicht keine Angst zu haben, sondern seine Angst zu überwinden!
Du hast geschrieben: Ich arbeite an mir. Ich persönlich würde es anders formulieren. Ich möchte mich akzeptieren. Nicht im Sinn von „es bleibt wie es ist und ich flüchte“, sondern vielmehr „ich bin ein Schisser, stehe dazu, hake den kleinen Angsthasen unter und gehe mit ihm auf Wanderschaft.“ Es ist ein Prozess. Du bist schon einige Schritte gegangen, ich auch. Es war schön Deinen Text zu lesen, sich verstanden zu fühlen.
Ich bin auf deinem Blog gestoßen, weil ich mich eigentlich gerade über das Phänomen „ L’appel du vide“ oder auch „The call of the void“ informiert habe. Denn ich saß hier in meiner neuen Wohnung und bin beinahe durchgedrehte vor Angst, weil ich im 6. Stock Wohne, einen Balkon habe und mich aus unerfindlichem Grund immer wieder frage wie es wohl wäre zu springen. Sofort Panik im Hirn „oh Gott, will ich das etwa wirklich?! Nein! Ich will doch leben! Oh Gott, aber rein körperlich wäre es ja möglich, einfach den Fuß da auf die Ballustrade… Oh Gott, Hirn hör auf das zu denken! Nachher macht sich mein Körper noch selbstständig oder ich schlafwandle nachher auf meinen Balkon!“ Aiaiaiaiai, mein Hirn und ich… Was für ein Paar… In meiner Angst fragte ich dann Dr. Google. Und Tada, besagtes Phänomen. Und tatsächlich ist es sogar komplett das Gegenteil, es ist ein enormer Überlebenswille. Denn es wird so eine starke Angst ausgelöst, dass der Körper sofort weichen möchte vor diesem Abgrund, der Kopf denkt sich aber: „Hey, da ist doch n Geländer… Dir kann gar nix passieren. Außer….. Du WOLLTEST springen!!“ Hirnverbrannt nicht wahr? Ein Missverständnis.
Mit ein bisschen Verständnis für sich selbst, einer gesunden Portion „hinterfragen“, können wir uns gut akzeptieren und uns überwinden und unser Glück am Schopf packen. Keiner hat gesagt, dass es einfach ist, aber ich glaube daran, dass es sich lohnt. (Schreibe ich so großspurig und zittere schon wieder innerlich ;))
Ich habe einen wundervollen Coach. Sie sagte mir, dass mein Körper und mein Geist sehr intelligent sind (so sehr, dass ich es manchmal nicht durchschaue). Sie wollen mir durch Angst oder sogar Panik das Leben ja nicht absichtlich schwer machen. Eigentlich genau das Gegenteil. Sie versuchen mich zu beschützen. Wäre es im gesunden Maß, nennt man es Vorsicht. Und das brauchen wir zum überleben. Schließlich liegt doch ein Knöchelknabberndes Monster unter dem Bett!
Also lass uns unserem Körper und unserem Geist danken, dass sie so gut auf uns aufpassen wollen. Doch das Gegenteil von gut ist halt manchmal gut gemeint. Also immer wieder Vertrauen in uns selbst setzen, dann vertrauen uns bald auch Geist und Körper.
Alles gute Du Schisserin
Lea die Schisserin